Radio
24
Der
weltweit stärkste und am höchsten gelegene Sender
Damals wurde die Sendeantenne von Radio 24 von der Firma
Kathrein-Werke KG (heute KATHREIN Broadcast GmbH) aufgebaut.
Unten folgt ein Ausschnitt aus einem E-Mail-Kontakt mit
Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Niedhammer, KATHREIN Broadcast GmbH, mit
Sitz in Rohrdorf und mit Dipl.-Ing. Hans Niedermayr, der damals
dieses Projekt direkt betreut hat und sich heute im Ruhestand
befindet. Herr Niedhammer hat auch einige Dokumente im Archiv
gefunden und freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Bild: Sendeantenne von
Radio 24 auf dem Pizzo Groppera. Wiedergabe mit freundlicher
Genehmigung KATHREIN Broadcast GmbH.
Allgemeines
Große analoge UKW-Hörfunksender versorgen üblicherweise
eine Fläche mit einem Radius von nicht mehr als ca. 50-60 km
rund um eine zentral im Versorgungsgebiet befindliche
Sendeantennenanordnung. Bei den großen Anlagen wird der
UKW-Radio-Sendeantennenanordnung eine Senderausgangsleistung von
etwa 5 kW bis 20 kW zugeführt.[2] Für
Reichweitenabschätzungen sollte als Minimalfeldstärke ein Pegel
von 40 dB/(1µV/m) für Monoempfang angestrebt werden.
Kommerzielle oder öffentlich-rechtliche Sendeanstalten nehmen
als Minimum 60 dB/(1µV/m) an.[1] Nach ARD/DBP
Richtlinien wurden 48 dB(1µV/m) für Mono-, bzw. 54 dB(1µV/m)
für Stereo-Empfang im Versorgungsgebiet, zugrunde gelegt.[8]
Wir werden auf diese Werte weiter unten noch zu sprechen kommen.
Wichtig ist die Fähigkeit der Sendeantenne die
eingespeiste Leistung bevorzugt in Richtung zum Versorgungsgebiet
auszusenden. Also Himmelsrichtung (Azimuth), und Neigung
(Elevation) bei einer Sendeantenne mit Richtwirkung. Und selbst
wenn es gelänge eine Antennenanlage zu konstruieren, welche die
Hochfrequenzenergie in alle Raumrichtungen gleichmäßig verteilt
(isotroper Kugelstrahler) - wäre der Einsatz einer solchen
Antenne wohl nicht sonderlich hilfreich, da die meisten
Rundfunkempfänger in Bodennähe vermutet werden können.
Befindet sich der Senderstandort gar dicht bei einem Flughafen,
und sendet dort ein Programm am oberen Ende des
UKW-Hörfunkbandes, so muß die UKW-Abstrahlung nach oben sogar
um bis zu 25 dB gedämpft werden, damit der oberhalb
anschließende Frequenzbereich des Instrumenten-Lande-Systems
(ILS) nicht gestört wird.[6]
In der
Praxis werden daher mehr oder weniger vertikal bündelnde
Antennenanordnungen verwendet. Betrachtet man deren
Antennendiagramm von oben (Azimutaldiagramm) so erscheint dies
weiterhin wie die eines Rundstrahlers. Von der Seite betrachtet
jedoch wird die Verteilung der Sendeenergie in vertikaler
Richtung deutlich (Elevationsdiagramm). Oft wird eine möglichst
flache Bündelung angestrebt - um mit der teuren Sendeleistung
ein möglichst großes (bodennahes) Gebiet mit dem
UKW-Radioprogramm zu versorgen. "Um die Senderleistung
optimal zu nutzen, muß die Hauptkeule so weit abgesenkt werden,
daß die maximale Leistung zum Rand des Versorgungsgebietes
abgestrahlt wird […] "[4] Diagramm
Schließlich spielen Beugungserscheinungen bei der
Ausbreitung von Rundfunkwellen eine Rolle: "Als Beugung
bezeichnet man den Effekt, daß el.-mag. Wellen auch in die
geometrische Schattenzone eines Hindernisses eindringen. Je
größer die Wellenlänge, desto stärker dringt das Feld in den
Schattenbereich (z.B. Gebirgstäler) ein."[3] In
der Praxis breiten sich somit auch die UKW-Frequenzen etwas über
den Horizont hinaus aus, und nicht wie oft angenommen wird, nur
bis zu dessen Rand.[1] Neben der Beugung an festen
Hindernissen spielt auch der Dichtegradient innerhalb der
Troposphäre eine Rolle. Deren Auswirkungen können anhand eines
empirisch ermittelten Modell "Standardatmosphäre"
abgeschätzt werden. Für die den theoretischen Krümmungsfaktor
einer el.-magn. Welle über den geografischen Horizont hinaus,
gilt dann k= 4/3.[3]
Eine weitere Rolle
spielt die verwendete Antennenpolarisation. Alte Hasen der
Antennen- und Sender-Systemtechnik wissen zu berichten, dass
vertikal polarisierte Sende- und Empfangssysteme bei ansonsten
gleichen Bedingungen durchaus etwa 5% bis 10% mehr Reichweite,
bezogen auf den Kreisradius, erzielen werden. Vorausgesetzt, die
Topografie des Versorgungsgebiets ist überwiegend eben mit
aufgelockerter Bebauung, wie dies z.B. in den Niederlanden
gegeben ist. Für den analogen TV-Rundfunk in Deutschland wurde
bis zur Einführung von DVB-T horizontale Polarisation verwendet
um den Mehrwegeempfang, der beim analogen Fernsehen oftmals
störend sichtbare Geisterbilder zur Folge hatte etwas zu
vermindern.[2] Mit Einführung von DVB-T ist dann der
Sendebetrieb zunehmend auf vertikale Polarisation umgestellt
worden. (Digitale TV Sendeanlagen wurden nicht generell auf
vertikale Polarisation umgestellt, obgleich diese Polarisation
für den Versorgungsgrad wohl etwas besser ist. Genauso gibt es
auch noch horizontal polarisierte Anlagen, die auch
funktionieren. Welche Polarisation, an welchem Standort zu
verwenden ist, bestimmen in der Regel die Regulierungsbehörden.
Ziel ist, ausreichend Interferenz Schutz und gute Entkopplung
gegenüber anderen Gleichkanalsendern in entfernteren
Sendeanlagen (auch Ausland) zu gewährleisten.)
Außerdem kann es, bei zwei oder mehreren UKW-Radios die
räumlich dicht beieinander, und auf unterschiedliche
Empfangsfrequenzen eingestellt sind, zu erheblichen
Empfangsstörungen der höheren Frequenz bei einem Abstand von
genau 10,7 MHz kommen. Dieser Effekt hängt mit der
Signalaufbereitung
in UKW-Radioempfängern bestimmter Bauart zusammen. Aus diesem
Grund wechselte Radio24 von der ursprünglich verwendeten und
bereits im Print beworbenen Sendefrequenz 101,6 MHz auf 103,5
MHz.
Denn exakt 10,7 MHz unterhalb der Radio24 Frequenz verbreitete
bereits ein lokaler Sender auf der Frequenz 90,9 MHz sein
Programm. Dies führte besonders zur Tageszeit und beim Empfang
im fahrenden Auto zu den oben beschriebenen Interferenzen.[9]
Wie stark sich die Zwischenfrequenz als Phantomsender in einigen
Metern Entfernung bemerkbar machen kann, zeigen zwei Fotos am
Ende dieses Artikels. Dort wurde ein auf 90,9 MHz abgestimmtes
Transistorradio ein-, bzw. aus- geschaltet welches dicht neben
der Empfangsantenne eines Spektrummonitors aufgestellt war. Drei
der sichtbaren “Zacken” zeigen die empfangene Signalspannung
von starken UKW-Rundfunksendern, die mit einer nicht optimal
abgestimmten Stummelantenne in einem Innenraum in Hamburg
empfangen wurden. Je länger der Zacken, desto stärker das
Signal. Der längste Zacken im ersten Bild ist auf den
Lokaloszillator des batteriebetriebenen Radios (Baujahr ca. 1991)
zurück zu führen. Wie man sieht, erreichte die Signalamplitude
in diesem Laborversuch die zu Beginn erwähnte Minimalfeldstärke
von 40 dB/(1µV/m) und ist somit bis in einige Meter Umkreis zum
UKW-Radio stärker als die “richtigen” Radiosender am Ort!
Mit diesem Rüstzeug ausgestattet - (zum Versorgungsgebiet
passendes Antennendiagramm, geeignete Antennenpolarisation,
Reichweitenbeeinflussung durch Beugungseffekte an Boden und
Atmosphäre, mögliche technische Interferenzen) wollen wir nun
*aufsteigen* um eine bereits aus technischer Sicht sehr
interessante Sendeantennenanlage einmal ganz aus der Nähe zu
betrachten.
Es handelt sich um die Sendeantenne des
frühen Radio 24, welches Ende der 1970'er Jahre erstmals ein
Privatradioprogramm über eine ungewöhnlich große Distanz
von fast 130 km bis in den Großraum Zürich brachte – was
zu der damaligen Zeit in der Schweiz aus vielerlei Gründen nicht
ganz ohne war, und die Initiatoren des Projekts rund um Roger
Schawinski dazu bewegte - trotz emotionalen Nähe zur
Schweiz, doch lieber von der italienischen Seite der Alpen aus,
genauer vom Gipfel des fast 3000 Meter hohen Pizzo Groppera, ihr
Radioprogramm nach Zürich zu senden.
Der Rest ist
Radiogeschichte und kann im Internet nachgelesen werden. Wer sich
näher dafür interessiert, dem seien die Links am Ende dieses
Artikels empfohlen.
Dieser Beitrag soll mit
Schwerpunkt auf die technischen Daten dieser mit 10 Metern x 20
Metern Antennenfläche gewaltigen Antennenkonstruktion erfolgen.
Welche enormen Herausforderungen mit der Errichtung und dem
Betrieb in hochalpiner Lage verbunden waren sind bereits in dem
Buch “Radio 24 – Die Geschichte des ersten freien Radios der
Radio der Schweiz” sehr ausführlich beschrieben. Unser
besonderer Dank gilt dem Unternehmen Kathrein-Werke KG (heute
KATHREIN Broadcast GmbH), welches damals mit der
Antennenkonstruktion betraut war, für die freundliche
Genehmigung zur Wiedergabe von Texten und Abbildungen aus dem
Buch FM- und TV-Sendeantennensysteme, 1989, KATHREIN-Werke KG,
sowie Herrn Dipl. Ing. (FH) Wolfgang Niedhammer (Kathrein
Broadcast GmbH) im Firmensitz Rohrdorf, sowie Herrn Dipl.-Ing.
Hans Niedermayr für die Unterstützung bei der Recherche und
geduldiges Beantworten unserer vielen technischen Fragen.
[1] http://senderbau.dharlos.de/TREICH.HTM
[2]
Niedhammer, Wolfgang, (per Telef.), Fa. Kathrein Broadcast GmbH,
Rosenheim 2020
[3] Grosskopf, Reiner, Dipl.-Phys.
S.197, S.198, Kap.9.1, Ausbreitungsmechanismen
elektro-magnetischer Wellen, FM- und TV-Sendeantennensysteme,
Kathrein Werke KG, Rosenheim 1989 [+]
[4],[5]
Obereder, Helmut, Dipl.-Ing. S.60,S.62, Kap.3.7, Schwenkung und
Nullstellenauffüllung von Vertikaldiagrammen, FM- und
TV-Sendeantennensysteme, Kathrein Werke KG, Rosenheim 1989 [+]
[6] mehrfache Kantenbeugung: S.205, Kap.9.2.2.2.2.1,
Vorhersagen mit Berücksichtigung der Topographie zur Berechnung
der Beugungsdämpfung [+]
[7] Obereder, Helmut,
Dipl.-Ing. S.62, Kap.3.7.5, Modifikation des Vertikaldiagramms
zur Vermeidung von Flugfunkstörungen [+]
[8]
Stöcker, Friedrich, Dipl.-Ing. S.224, Kap.9.3.4, Versorgung [+]
[9] Radio 24 – Die Geschichte des ersten freien Radios der
Schweiz, S.121
[+] FM- und TV-Sendeantennensysteme,
Copyright Kathrein-Werke KG (heute KATHREIN Broadcast GmbH),
Rosenheim 1989, Herausgeber: Dr. Othmar Gotthard,
Gesamtherstellung: rother druck, München
E-Mail-Kontakt
Frage 1: Mich würde interessieren, ob die UKW-Wellen der
Radio24-Sendeantenne an den Alpen gebeugt wurden und auf diese
Weise die große Entfernung überbrücken konnten.
Niedhammer:
UKW Radiowellen werden bis zu einem bestimmten, aber schwer zu
definierenden Grad auch an Bergspitzen gebeugt. Für die Planung
von Versorgung sollte aber davon nicht ausgegangen werden, da
quantitativ nur schwer zu bestimmen = Glückssache.
Frage
2: Ich habe gehört, daß man früher eine Funkverbindung
zwischen der BRD und West-Berlin über Reflexionen an höheren
Luftschichten bei hoher Frequenz aufgebaut hat. Trifft das zu?
Niedhammer: Das kann durchaus sein, da Radiowellen
bis zu einem gewissen Grad auch in den atmosphärischen Schichten
gebeugt werden (frequenzabhängig, wetterabhängig, etc.). Eine
klassische Vollversorgung kann man da wohl nicht planen
(Zufall/Hoffnung/etc.).
Frage 3: Bei der folgenden
Grafik ist zu erkennen, daß UKW-Wellen weit über den
Horizont hinaus empfangen werden können. Also nicht nur auf
Sicht, wie man allgemein hin annimmt.
Niedhammer:
Radiowellen folgen auch der Erdoberfläche über den Horizont
hinaus, bevor sie in den "Weltraum" übergehen.
Fachleute sprechen vom "radiooptischen Horizont".
Beispiel: Sichthorizont = 50 km, radioptischer Horizont = ca. 60
km (oder so). Diesen Umstand begegnet man dadurch, dass man nicht
mit dem Erdradius r rechnet, sondern mit 4/3 des Erdradius.
Frage 4: Mit wieviel Grad Elevation war ggfs. die
Hauptkeule ausgerichtet
Niedermayr: Genau genommen
ist das nicht so wichtig, weil die vertikale Halbwertsbreite des
Strahlungsdiagrammes groß genug ist. Wenn man es nach der
Theorie richtig machen möchte, senkt man das Vertikaldiagramm
ca. 0.5 bis 0.7 Grad ab, weil dann das Maximum zum sog.
Radiohorizont zielt. Das haben wir sicherlich auch bei Radio24 so
gemacht.
Frage 5: Welche Senderausgangsleistung wurde
in die Antennenanlage eingespeist, um die im Buch genannten ca.
14 MW (EIRP) in der Hauptrichtung zu erzielen?
Niedermayr:
Wie auch an mehreren Stellen im Internet zu lesen ist, waren es
50 kW. Mit der Sendertechnik hatte jedoch meine Firma nichts zu
tun. Details zur Berechnung der Strahlungsleistung kann ich heute
nicht mehr nennen, da die Berechnungsunterlagen von damals nicht
mehr vorhanden sind. Ich kann nur sagen, dass die Anlage auf
höchstmöglichen Gewinn dimensioniert war.
Frage 6:
Die Halbwertsbreite der Hauptkeule (gemäß Buchdaten): 7
Winkelgrad in der Horizontalen. Aus unserem Telefonat erinnere
ich, daß etwa 14 Grad in der Vertikalen anzunehmen sind?
Niedermayr: Das sollte so stimmen. Ohne Garantie auf
Richtigkeit, denn ich kann es nicht mehr überprüfen, die
Unterlagen aus der Projektierungszeit sind nicht mehr vorhanden.
Frage 7: Ich habe gehört, dass das Antennendiagramm
nachträglich mittels Phasengliedern um einige Grad geschwenkt
wurde, um den Großraum Zürich besser zu erreichen?
Niedermayr: Das ist richtig. Es besteht ja bei weitem
keine direkte Sichtverbindung. Die Beugung des Signals an den
Bergkanten führte dazu, dass Zürich auf einer Stadtseite besser
versorgt war als auf der anderen. Das könnte auch heute noch
nicht sicher vorausberechnet werden. Ein elektrisches Schwenken
des Horizontaldiagrammes brachte die gewünschte
Korrektur/Verbesserung.
Frage 8: Wie erfolgte die
Ausrichtung der Antenne? (Stand Ende 1979 bereits GPS zur
Verfügung, bzw. welcher technischen Hilfsmittel hat man sich
bedient um die Anfangspeilung zu bestimmen. (siehe auch Frage 6))
Niedermayr: Es gibt ja schon seit sehr, sehr langer
Zeit recht genaue Koordinaten für markante geografische Orte.
(Vermessungstechnik/Kartografie). Man sucht sich also Punkte in
der Landschaft (Berggipfel), die man dann optisch anpeilen, deren
Koordinaten man kennt und bestimmt relativ dazu den
erforderlichen Drehwinkel. Das täglich Brot der
Vermessungsleute. Eine Winkelmessung in einer Landkarte und die
Übertragung mit dem Kompass ginge mit höchster
Wahrscheinlichkeit schief.
Herzlichen Dank für die
Beantwortung der Fragen!
Bilder und PDF-Dateien von Kathrein
Radio_24_Bild_bearbeitet_1.jpg
Radio_24-Report_1.pdf
von
http://www.wabweb.net/radio/
Radio_24-Report_2.pdf
von
http://senderbau.egyptportal.ch/
Radio_24-Report_Funkschau.pdf
Radio_24-Report_Schweizer_Lokaradio_Szene_.pdf
Radio_24_Italy.pdf
Hinweise_zur_Berechnung_Empfangsfeldstaerke_Niedhammer_1985_.pdf
Bilder aus dem Buch "FM- und
TV-Sendeantennensysteme"
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R24-S187.jpg
R24-S188-Detail.jpg
R24-S188.jpg
Interferenz-ZF10.7-mit.jpg
Interferenz-ZF10.7-ohne.jpg
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Buchseiten:
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Wiedergabe
mit freundlicher
Genehmigung.
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